Notizen zu dieser Person
SOPHIE ELISABETH LORENTZ, geb. RANFT (F.G. S. 268-269) ist mir wegen ihres immer freundlichen Wesens und als eine stattliche Erscheinungin bester Erinnerung geblieben. Als Altenburger Gymnasiast durfte ichsie oft besuchen. Mit ihren beiden unverheirateten Töchtern 2. Margarete und 4. Marie lebte sie in demselben Hause, in dem auch die Familieihrer verheirateten Tochter 1. Elisabeth Lingke wohnte. Bei "Onkel" und "Tante" Lingke, die ich wegen des großen Altersunterschiedes so nannte, obwohl sie genealogisch mein Vetter und meine Cousine waren, fühlte ich mich wie zu Hause und war ein stets willkommener Gast in ihrembehaglichen Heim. "Onkel" Lingke, immer zu Scherzen aufgelegt, war eineifriger Familienforscher und berichtete gern von den interessanten Ergebnissen seiner Arbeit, so daß in mir die Freude an der eigenen Familiengeschichte erwachte (F.G. S. 356, Anm. 37). "Onkel" Lingke hatte in jungen Jahren ein schweres Schicksal in vorbildlicher Weise gemeistert. Völlig ohne sein Verschulden wurde das von seinen Vätern ihm vererbte, angesehene Bankhaus Lingke in Altenburg das Opfer einer allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Eheleute Otto und Elisabeth Lingke stellten unter großen Opfern ihr persönliches Hab und Gut der Konkursmasse zur Verfügung und begannen gemeinsam in sehr bescheidenen Verhältnissen den Kampf ums Dasein. Ihre Haltung und ihr Entschluß, in derVaterstadt zu bleiben, erwarben ihnen überall Hochachtung und Vertrauen, so daß "Onkel" Lingke nach den ersten harten Jahren bald eine neueExistenz gegründet hatte. Elisabeth Lorentz, geb. Ranft verschied nachschwerem Leiden im 78. Lebensjahre sanft und ruhig am 13.III.1924 inAltenburg und wurde am 17.III. beerdigt. Ihre Tochter Margarete starbvier Monate später am 27.VII.1924 in Altenburg. Otto Lingke mußte im 66. Lebensjahre erleben, daß die von ihm seit 1911 geleitete Altenburger Aktiengesellschaft Chromo in die Hände des berüchtigten Barmat-Konzerns geriet und 1925 liquidierte. Die Chromo-Papier- und Kartenfabrik ging durch Kauf in den Besitz der Vereinigten Deutschen Spielkarten-Fabriken A.G. in Stralsund über. Otte Lingke verschied am 24.VIII.1934 inAltenburg. Seine Schwägerin Marie Lorentz starb am 24.III.1946 in Altenburg und am 2.V.1946 folgte ihr im Alter von fast 79 Jahren Elisabeth Lingke, geb. Lorentz. Beide Schwestern hatten die Kriegsjahre und die Terrorangriffe auf Altenburg, sowie die entbehrungsreichen Monate nach dem Zusammenbruch in großer Sorge um den einzigen Sohn und Neffen Friedrich Lingke zugebracht. Davon berichtet ein Brief, den Marie Lorentz am 20.XII.1945 ans Altenburg an mich schrieb: "Von Fritz hörten wirleider immer noch nichts... Aus Plaue von Trude. Fritz Lingkes Ehefrau, kam ein trauriger Brief, sie wartet auch sehnlichst auf Nachricht und kämpft schwer mit der Zeit. Kein Strom, kein Gas, und dazu kein Pfennig Geld seit der russischen Besetzung, für eine Frau mit drei Kindern ein hartes Schicksal! Unsere Wohnung war stark belegt, immer mußtenwir wieder umräumen. 8 Personen waren wir; in einem Klubsessel, auf einer sehr reparaturbedürftigen Chaiselongue wurden allabendlich Nachtquartiere aufgeschlagen, jetzt sind wir nur noch 6 Personen. Wir frierensehr, da unsere Doppelfenster bei den schweren Terrorangriffen im Februar zerschlagen wurden und es für solche keinen Ersatz gibt. Immerhinkönnen wir Gott nicht genug dafür danken, wie wir beschützt gewesen sind; zwei Brandbomben, die unser Haus trafen, haben nicht gezündet obgleich sie Dach und Bodenbelag durchschlagen haben."
Bernd
Michaelis-Hauswaldt
